Laute Autos in Berlin: Viel Lärm um – fast – nichts

Was kann man gegen aufheulende Motoren in den Straßen tun? Theoretisch gibt es Mittel, praktisch passiert in Berlin herzlich wenig.

Frau hält sich an Straße die Ohren zu

Straßenlärm nervt – besonders wenn er abslichtlich erzeugt wird Foto: IMAGO / Panthermedia

BERLIN taz | Der Sommer naht, und damit die Zeit der Poser. Durch alle Straßen und Gassen rammeln wieder vermehrt tiefergelegte und aufgemotzte Verbrenner, deren LenkerInnen Freude daran haben, nicht nur CO2 und Feinstaub, sondern auch gehörig Dezibel in die Umwelt zu entlassen. Anders gesagt: Wenn’s warm wird, röhren nicht nur die Hirsche lauter, sondern auch die Autos und Motorräder.

Dabei hat das P-Wort längst Eingang in den offiziellen Sprachgebrauch gefunden: Von „Poserlärm“ spricht man in der Senatsverkehrsverwaltung und hat diesen schon lange auf die To-do-Liste im Kampf gegen akustische Verschmutzung gesetzt. Nur passiert ist bislang wenig, und wenn man sich die gerade veröffentlichte Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Lars Rauchfuß zu Gemüte führt, wird sich daran auch so schnell nichts ändern.

Rauchfuß wollte wissen, was aus dem „Lärmblitzer“-Experiment geworden sei, das Mobilitätssenatorin Manja Schreiner (die Älteren erinnern sich) vor fast einem Jahr am Ku’damm einläutete. Damals wurde an einem Lichtmast die sogenannte „Hydre“ montiert, eine in Frankreich entwickelte Kombination aus Lärmsensor und Kamera, die bei Überschreitung einer festgelegten Lärmschwelle Bilder von den VerursacherInnen schießt.

Sie sei „gespannt“ auf die Ergebnisse, sagte Schreiner damals, ließ aber schon durchblicken, dass LärmposerInnen in absehbarer Zeit nichts zu befürchten haben würden. Denn das Land hat kaum Mittel, überlautes Fahren zu sanktionieren. Schon die deutsche Straßenverkehrsordnung (StVO), auf die es hier ankommt, enthält lediglich ein vages Gebot, angemessene Lautstärken nicht zu überschreiten.

In der Antwort auf Rauchfuß heißt es nun, eine weitere Erprobung von „Hydre“ sei zwar „wissenschaftlich interessant“, es fehle aber an den rechtlichen Grundlagen dafür, das Gerät darüber hinaus einzusetzen. Einen definierten „Lärmdeckel“ gebe es nun mal nicht. Derzeit – fast 10 Monate nach Abschluss des Versuchs – analysiere die TU Berlin immer noch die zur Verfügung gestellten Daten, etwa um zu ermitteln, welche Gründe im konkreten Fall zur Lärmbelästigung führten. Man befinde sich auch im Austausch mit der Stadtverwaltung von Barcelona, die das System jetzt auch mal testen wolle.

Zwischen Bohrer und Flex

Im Übrigen war es nicht so, dass „Hydre“ nicht funktioniert hätte – im Gegenteil: Laut dem vor einiger Zeit veröffentlichten Abschlussbericht erfassten die empfindlichen Ohren des Geräts in zwei Monaten fast 2.500 Fahrzeuge, die 82 Dezibel überschritten. Im Schnitt verursachten die KrachmacherInnen (mehr als die Hälfte davon auf dem Motorrad) 85 Dezibel, ein Lärmpegel irgendwo zwischen Bohrmaschine und Flex, die Spitzenwerte überschritten sogar 100 Dezibel, was schon einer Kreissäge oder einem Martinshorn in wenigen Metern Entfernung entspricht.

Immerhin: Ein bisschen Problembewusstsein hat das Ganze vielleicht geschaffen. Wie viel, wird sich zeigen, wenn – so jedenfalls das Vorhaben der Verwaltung – im Juli der neue 5-jährige Lärmaktionsplan vorgelegt wird. Der wird dann auch – vielleicht, denn es könnte länger dauern – das lange angekündigte Konzept für nächtliches Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen enthalten. Dessen Einhaltung kann man – wenn man denn will – schon heute kontrollieren. Und wer fährt bei dieser Geschwindigkeit schon so richtig krass laut?

Wobei: Den Motor im Leerlauf heulen zu lassen, das kriegen dann eigentlich doch alle hin, die das Motto „Wir sind hier und wir sind laut“ auf ihre Weise interpretieren.

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